Texte

11 Predigten zur Eucharistiefeier

1. Predigt - Von Piloten, Kollisionskursen und Opfern

Das Wesen der Eucharistie

Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte mit der heutigen Predigt eine Reihe beginnen. Eine Predigtreihe beschäftigt sich Sonntag für Sonntag mit einem Thema, auch wenn der eigentliche Anknüpfungspunkt der Predigt, das Evangelium des Tages, dann mal etwas in den Hintergrund treten kann.Ich möchte unseren Gottesdienst, die Eucharistiefeier, zum Thema der Predigtreihe machen. Dabei werde ich an den kommenden Sonntagen die einzelnen Teile des Gottesdienstes beleuchten. Ich hoffe, damit zu einem bewußteren Mitfeiern der Gottesdienste helfen zu können. Und ich versuche, keine hochtheologischen Vorträge zu halten.

Doch bevor ich mit den einzelnen Teilen anfange, frage ich mich heute, was das denn ist - «Eucharistiefeier».Liebe Schwestern und Brüder, stellen sie sich vor, ein Pilot ist mit einem Flugzeug unterwegs. Plötzlich merkt er, dass er die Maschine nicht mehr richtig kontrollieren kann. Mit Entsetzen stellt er fest, dass sie auf eine Schule voller Kinder zu stürzen droht. Obwohl er damit sein Schicksal besiegelt, bleibt er bis zum Schluß in der Maschine, um sie über die Schule hinwegzusteuern und kommt so beim Absturz ums Leben. Er hätte noch aussteigen können, aber er hat sein Leben geopfert, um die Menschen in der Schule zu retten.Alljährlich begeht nun die Schule - zusammen mit dem ganzen Dorf - eine Gedächtnisfeier. Aus dem einfachen Bedürfnis heraus, dem Piloten Ehre und Dank zu erweisen. Wesentlich für die Gedächtnisfeier ist dabei nicht die ansprechende Gestaltung, sondern das innere Bedürfnis, «Danke» zu sagen. Und selbst wenn die Dorfkapelle immer nur das gleiche Lied spielt und wenn der Bürgermeister nur ungeschickte Reden hält: Die Feier wird ergreifend sein, wenn nur die Anwesenden wirklich danken wollen.

Für Außenstehende oder für ehemalige Schüler, die nicht glauben wollen, dass sie ihr Leben der Tat des Piloten zu verdanken haben, kann dagegen nichts diese Feier interessant machen. Jeder Unterhaltungswert wird letztlich durch das ständige Gedenken an den Piloten beeinträchtigt.

Die erste Frage, die ich mir stellen sollte, ist: Ist Jesus Christus der Pilot, der sein Leben für mich geopfert hat? Bin ich deshalb hier? Glaube ich wirklich, dass ich seinem Leiden und Auferstehn mein Leben verdanke?Liebe Schwestern und Brüder, ich feiere einmal im Monat im Anschluß an die Jugendkatechese in Dülmen eine heilige Messe. Die Jugendlichen, die dort dabei sein, schwärmen von den schönen Gottesdiensten. Tatsächlich unterscheidet er sich in nichts, aber auch gar nichts von den Gottesdiensten hier - außer dass die Jugendlichen dort nicht nur anwesend, sondern Mitfeiernde sind. Wer beten kann und dies gerne tut, wird sich in keinem Gottesdienst langweilen.Aber unser Vergleich mit dem Gedenken an den selbstlosen Piloten reicht nicht ganz. Denn wir gedenken nicht nur des Kreuzestodes Jesu. Auf geheimnisvolle Weise geschieht in jeder Messe diese Erlösung, die Rettung vor dem Tod. Nicht die Predigt und auch nicht die Kommunion ist der Mittelpunkt der Eucharistie, sondern das Erleben der Erlösung, das Opfer, das Jesus bringt, um uns zu retten. Es ist so, dass in jeder Messe der Pilot das abstürzende Flugzeug an uns vorbeilenkt, während wir jeden Tag durch unser Leben wieder neu auf Kollisionskurs gehen. Wir brauchen die regelmäßige Eucharistiefeier zum Leben.

Nun ist es nicht einfach, zu glauben, dass wir unser Leben tatsächlich Jesu' Opfer verdanken. Noch schwerer fällt es vielen (und gelegentlich auch mir), die Erhaltung meines Lebens in einer knapp einstündigen Feier zu erkennen. Vielleicht spüren Sie davon nichts, vielleicht können sie das auch nicht so recht verstehen, nicht begreifen, wie das gehen soll. Das muß auch nicht unbedingt sein. Versuchen Sie es lediglich zu glauben, das kann schon schwer genug sein.Die zweite und entscheidende Frage ist also: Möchte ich das glauben? Wenn ja, o Herr, hilf meinem Unglauben!

Das Wesen der Messe ist Jesu Opfer; nicht unser Tun. Deshalb nennen wir jede Eucharistiefeier «Sakrament». Wir danken, bitten, loben und feiern Jesus, aber das Eigentliche tut Er. Es ist nicht nur ein «Gedenken» an Jesu Tod, das wir so gestalten können, wie wir wollen, sondern ein Handeln Gottes, das uns immer wieder unter dem Einsatz seines Lebens von den fatalen Konsequenzen unseres eigenen Tuns befreit.Soviel zunächst zum Einstieg in die Predigtreihe. Vielleicht denken Sie jetzt: Na, wenn die Predigtreihe so weiter geht, dann komme ich erst Ostern wieder. Aber glauben Sie mir: Ohne dieses Zentrum, das Opfer Jesu, ist alles, was ich Ihnen demnächst sagen werde, sinnlos. Genauso wie es mein ganzes Leben wäre.
Amen.

2. Predigt - Von Teilnehmerbeiträgen, Liturgieträgern und Eingeladenen

Gott feiert, wir sind eingeladen

Liebe Schwestern und Brüder, in der kleinen Predigtreihe zur Eucharistiefeier, mit der ich am vergangenen Sonntag begonnen habe, möchte ich mich heute mit dem Beginn des Gottesdienstes beschäftigen.

Da ist zunächst die interessante Frage zu klären, wer eigentlich den Gottesdienst feiert. «Ist doch klar!» werden sie sagen, «die Gemeinde feiert den Gottesdienst, also wir!» Aber so eindeutig ist das gar nicht. Es noch kein halbes Jahrhundert her, da hätten Sie einen anderen Eindruck gehabt, wenn Sie die heilige Messe besucht hätten: Da konnte man glauben, es sei allein der Priester, der die Messe feiert. Die Gemeinde hat dann lediglich den Gottesdienst besucht, sie war aber nicht wirklich nötig. Der Priester feierte den Gottesdienst für die Gemeinde, nicht notwendigerweise mit der Gemeinde.

Nun ist allerdings weder das eine noch das andere richtig: Nicht die Gemeinde und auch nicht der Priester sind Veranstalter, sondern Gott. Er feiert diese Messe. Deshalb sprechen wir auch manchmal von «göttlicher Liturgie». Gott trägt das Geschehen, er feiert.

Allerdings bleibt Gott bei dieser Feier nicht für sich. Er lädt uns ein, mitzufeiern. (Das tun wir ja auch, wenn es etwas zu feiern gibt: Bei einer Hochzeit feiern eigentlich nur zwei, alle anderen sind eingeladen, von ganzem Herzen mitzufeiern.) So heißt es in einem Lied ja auch: «Christus lädt uns alle ein, wir sind seine Gäste.» Diese Einladung haben wir erhalten, als wir getauft wurden. Seitdem gehören wir zu Familie, sind Kinder Gottes. Deshalb beginnen wir jeden Gottesdienst mit dem Weihwasser, das wir an der Kirchentüre nehmen, mit dem Kreuzzeichen am Anfang der Messe und - wie heute am Fest der Taufe des Herrn - mit dem Besprengen durch das Taufwasser.

Wir können diesen Gottesdienst nur mitfeiern, und das auch nur, weil Gott mit uns ist. Das wünsche ich Ihnen übrigens zu Beginn jeder Messe, in dem ich sage: «Der Herr sei mit Euch!» Sonst ginge der ganze Gottesdienst vollkommen an Ihnen vorbei. Wäre Gott nicht in Ihren Herzen, hätten Sie nichts zu feiern. Und Sie, liebe Schwestern und Brüder, wünschen mir freundlicherweise genau das Gleiche. Im Englischen oder auch im Holländischen heißt es: «Der Herr sei mit Euch! - Und auch mit dir!» Das deutsche «und mit deinem Geiste» meint da nichts anderes.

Ein weiteres Zeichen dafür, dass Gott der Gastgeber ist, ist das Kyrie, das «Herr, erbarme dich». Das Kyrie ist kein Schuldbekenntnis, sondern eine Folge von Hochrufen. Wenn der König in der Antike in eine Stadt einzog, lief vor ihm der Hofmarschall, der die Großtaten des Königs verkündete. Und auf jede Tat, die dort genannt wird, antwortet das Volk, das an den Straßenrändern steht, mit «Kyrie eleison! - Herr, erbarme dich!» Wir beginnen also den Gottesdienst wie die Bewohner einer Stadt, die ihren König begrüßen, der bei ihnen einzieht.

Liebe Schwestern und Brüder, nicht wir sind es also, die feiern. Oder, wie es im Fachjargon heißt, nicht die Gemeinde ist Träger der Liturgie, und auch nicht der Priester. Gott vollzieht das Geschehen, von dem ich in der letzten Woche gesprochen habe, und wir dürfen daran teilhaben. Dieses Liturgieverständnis ist einmalig unter den Religionen dieser Welt und auch einmalig innerhalb der christlichen Konfessionen. Der Gottesdienst an sich hat seinen Wert, der nicht von meiner Beteiligung abhängt. Ich muß mich nicht immer wieder krampfhaft zur Andacht zwingen, ich darf auch meinen eigenen Gebetsanliegen nachhängen. Ich muß nicht jeden Gedanken, der geäußert wird, verstehen. Soweit wie ich vermag, darf ich teilnehmen an der göttlichen Liturgie; was mir allerdings nicht möglich ist, brauch ich auch nicht zu tun. Davon hängt diese Feier nicht ab.

Hier vorne geschieht ohne unser Zutun das, wovon unser Heil abhängt. Wir sind eingeladen, daran teilzunehmen. Gott freut sich über jede innere Beteiligung, und seien es nur Augenblicke.

Es gibt allerdings solche Augenblicke, in denen das Geschehen hier vorne kurze Zeit aussetzt und Sie zu besonderer Aktivität auffordert. Im Laufe des Gottesdienstes werden Sie des öfteren eingeladen, zu beten. «Lasset uns beten» sagt der Priester - und dann sagt er erst einmal nichts mehr. In der nachfolgenden Stille, die leider immer viel zu kurz ist, kann und darf jeder mit seinem eigenen Gebet zu Gott kommen. Einige verstehen diese Stille als eine Panne im sonst reibungslosen Ablauf des Gottesdienstes. «Wann geht es endlich weiter?» Dabei ist jede Stille ein Raum, den Sie selbst füllen können. Erst im Anschluß daran faßt der Priester mit dem Tagesgebet (der «Collectio», d.h. Zusammenfassung), dem Gabengebet oder dem Schlußgebet Ihre Gebete zusammen.

Das, was von Ihnen tatsächlich abhängt, geschieht in der Stille. Dort, wo Sie, die Gemeinde, zu höchster Aktivität aufgefordert wird, geschieht nichts Sichtbares. Das soll uns aber nicht stören, denn damit erhalten wir uns selbst in dem richtigen Verständnis von dem, was wir feiern: Nämlich Gottes Tun.

Amen.

3. Predigt - Von Hitler auf dem Obersalzberg

Vom Gloria und der unverratenen Anbetung

Liebe Schwestern und Brüder, kennen Sie das Gloria? Meistens wird es bei uns im Gottesdienst nur als Lied gesungen, den jahrtausendalten Text, der den Gloria-Liedern zugrunde liegt, kennen heute nicht mehr viele; noch weniger kennen ihn auswendig. Vielleicht liegt es daran, dass im Gloria nicht von uns die Rede ist; von unseren Nöten, Bitten und Wünschen. Das Gloria handelt allein von Gott., und von seiner Anbetung. Das ist natürlich etwas langweilig.

- - - -

Adolf Hitler hatte seinen Landsitz auf dem Obersalzberg im Laufe der Jahre zu einer Art "Tempel" eingerichtet. Normalerweise war der gesamte Obersalzberg hermetisch abgeriegelt, wie ein "heiliger Bezirk," nur dem Führer und seinen Getreuen zugänglich. Aber zu bestimmten Zeiten durfte dann das gläubige Hitler-Volk in den inneren Bereich, um den Führer aus nächster Nähe zu erleben und ihm zu huldigen. Waren den Pilgern sonst nur Blicke aus größerer Entfernung auf diese kleine Heilsfigur möglich, so konnten an solchen Festtagen einige Auserwählte sogar zum Händeschütteln zugelassen werden.

Wahrscheinlich war dieser Ritus auch mit Musik, Schmuck, Fahnen und feinster Ausstattung geziert, so dass das fromme Nazi-Herze regelrecht in Verzückung geraten konnte. Der kleine Adolf ließ sich großartig zum Mythos erheben.

In der Nähe des Obersalzbergs, außerhalb dieser Kultstätte, gab es eine kleine Kapelle, an der sich jeden Sonntag die Gemeinde der Salzbergbauern versammelt und ihren Gottesdienst feierte. Der Pfarrer, der damals regelmäßig zum Gottesdienst in diese kleine Kirche kam, berichtete vor einiger Zeit, dass das Gloria, dass die Kirche seit 2000 Jahren betete, eine geradezu programmatische Aussage bekam.

"Wir loben Dich. Wir preisen Dich. Wir beten Dich an. Wir rühmen Dich und danken Dir, denn groß ist Deine Herrlichkeit. Herr und Gott, König des Himmels, Herrscher über das All... Du allein bist der Heilige, Du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus mit dem Heiligen Geist zu Ehre Gottes des Vaters."

Liebe Schwestern und Brüder, in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kam es in Mode, so genannte "politische Gottesdienste" abzuhalten, und auch heute fragen viele, wenn sie einen Gottesdienst vorbereiten wollen (oder sollen): "Was für ein Thema nehmen wir?" Dabei ist der Gottesdienst gerade in seiner Ausrichtung auf Gott hoch politisch, Thema genug. Wenn wir nur begreifen würden, was wir beten!
Vielleicht haben einige Christen in der frühen Hitler-Zeit nicht die Große Gefahr gemerkt, die sich da zusammenbraute. Wer aber im Angesicht der Hitler-Verehrung Gottesdienst gefeiert hat und mit Herz und Verstand für die Texte der Messe aufgeschlossen war, dem sind vielleicht die Augen früher aufgegangen als anderen.

So kann auch für uns Gottesdienst keine Weltflucht sein. Wer Gottesdienst feiert, mit Sinn und Verstand, mit Herz und Seele; wer sich Zeit nimmt für die Anbetung Gottes (kleiner Wink mit dem Zaunpfahl: Heute nachmittag ist dazu Gelegenheit), der ist wachsamer und sehender. Und vielleicht auch mutiger, an dieser Gesellschaft und ihren Kurs mitzuarbeiten.

Gottesdienst und Anbetung, liebe Schwestern und Brüder, sind unabdingbare Folgen, um diese Welt zu verändern. Das zeigt uns ein Blick in die Geschichte. Große Veränderungen gingen oft genug von großen Christen und Betern aus.

Natürlich haben auch Männer und Frauen, die weder Gottesdienst gefeiert noch gebetet haben, diese Welt verändert. Aber bei den meisten wünschen wir uns heute, sie hätten es lieber nicht getan.

Amen.

4. Predigt - Von Wörtern, Worten und Botschaften

Zuhören können

Liebe Schwestern und Brüder, ob Sie die Eucharistiefeier bewußt mitfeiern und ob damit der Gottesdienst für sie interessant oder langweilig erscheint, hängt in einem hohen Maße davon ab, wieviel Gebetsanliegen Sie in den Gottesdienst mitbringen. Lob und Dank, Bitte und Fürbitte, ihre eigenen Anliegen oder die Sorgen anderer Menschen - alles hat seinen Dreh- und Angelpunkt in der Messe.

Wenn Sie mit einer anderen Person ins Gespräch kommen wollen, dann müssen Sie auch selbst die Initiative ergreifen. Der feste Vorsatz, aufmerksam zu sein, nützt wenig zum Gespräch, wenn Sie kein einziges Wort sagen. Und die Beschwerde, das Gespräch hätte Ihnen nichts gebracht, ist nur dann berechtigt, wenn sie auch selbst den Mund aufgemacht haben.

Somit gestaltet sich gerade der Beginn eines Gottesdienstes als ein höchst aktiver Teil: Wir wünschen uns die Nähe des Herrn; stimmen uns auf die Begegnung mit Gott ein; bitten Gott und die Mitchristen um Verzeihung; freuen uns über die Schönheit und Größe Gottes und loben Ihn deswegen; und wir bringen unsere Anliegen, unsere Befindlichkeit vor Ihm - und das alles schon in den ersten sieben Minuten. Fast so, wie auch in einem alltäglichen Gespräch. Dann aber wird es Zeit, sich zu setzen und einander zuzuhören.

Denn nicht nur wir haben etwas mitgebracht. Auch Gott möchte uns etwas sagen. Dass Gott zu den Menschen spricht, ist keine Neuigkeit. Das hat er schon immer getan, bis auf den heutigen Tag. Warum sollte er gerade bei Ihnen eine Ausnahme machen?

Gott zuzuhören ist ganz einfach. Er überläßt uns sogar die Art und Weise, wie wir ihm zuhören wollen.

Vielleicht haben Sie eine ganz bestimmte Frage, ein Problem, auf das Sie eine Antwort möchten. Hören Sie gut hin, welche Antwort Gott Ihnen gibt - in den Texten, aber vielleicht auch in den Liedern, die wir singen.

Wir sollten vor allem den Lesungen und dem Evangelium Aufmerksamkeit schenken. Dort hat Gott schon einmal zu den Menschen gesprochen; er hat auch damals schon uns mit dem gemeint, was er gesagt und getan hat.

Vielleicht fällt Ihnen ein bestimmter Satz auf, eine besondere Person, ein interessanter Sachverhalt - dann lassen Sie sich ruhig von diesem kleinen Teil anregen.

Oder Sie versuchen, sich die Situation der Lesungen im Ganzen vorzustellen: Wie sah die Landschaft aus? Wie waren die Menschen, die genannt wurden? Lassen Sie ihre Phantasie spielen und seien sie nicht überrascht, wenn darin plötzlich Gott auftaucht - oder zumindest die Antwort, um die Sie Gott gebeten haben.

Oder Sie warten auf die Predigt. Rechnen Sie nicht mit guter Unterhaltung. Warten Sie auf einen Gedanken, der ihnen weiterhilft. Seien Sie aber auch nicht zu voreingenommen: Manchmal passen die Antworten, die Gott Ihnen gibt, wie die Faust aufs Auge. Aber Hauptsache, sie passen. Rechnen Sie nicht immer mit Streicheleinheiten.

Und erwarten Sie keinen Geistesblitz. Wie der kleine Samuel in der Lesung erfahren hat, kann Gottes Wort so einfach und banal wirken, dass wir gar nicht auf den Gedanken kommen, dass es Gott ist, der da zu uns redet.

Alles in allem ist Zuhören etwas Aktives. Sich zurückzulehnen und auf die Bedienung zu warten, wird nicht sehr vielversprechend sein. Dennoch kann es Ihnen passieren, dass Sie wirklich in einen inneren Gesprächsverlauf hineingezogen werden, der Ihnen das Heft aus der Hand nimmt. Damit müssen Sie rechnen.

Ob Gott Ihnen etwas zu sagen hat, liebe Schwestern und Brüder, ist keine Frage. Er versucht ja ständig, Sie zu erreichen; und obwohl meistens besetzt ist, gibt er nicht auf.

Sie kommen Gott allerdings ein ganzes Stück entgegen, wenn Sie ihm ein deutliches: «Gesprächsbereit!» signalisieren.

Erwarten Sie aber nicht zuviel von sich selbst: Schon im Alltag spüren wir immer wieder, dass gutes Zuhören und echte Aufmerksamkeit gut geübt sein will.

Amen.

5. Predigt - Vom Credo und dem Urlaub in der Karibik

Das Wort Gottes feiern und das Credo beten

Liebe Schwestern und Brüder, In der kleinen Predigtreihe zur Eucharistiefeier sind wir inzwischen beim Evangelium angelangt, dem Zentrum des Wortgottesdienstes.

Worte werden im Gottesdienst viele gemacht, aber nicht alle haben den gleichen Rang. Das ist genauso wie in unserem alltäglich Leben: Da gibt es das geschriebene Wort in Form von Zeitungsmeldungen, Gebrauchsanweisungen oder Liebesbriefen. Dass diese Worte eine vollkommen unterschiedliche Bedeutung haben, zeigt sich darin, dass wir kaum auf den Gedanken kommen, unsere gesammelten Gebrauchsanweisungen mit einer rosa Schleife jahrzehntelang aufzubewahren. Und normalerweise gehen unsere Zeitungen schon am nächsten Tag auf den Müll.

So ein Liebesbrief dagegen wird in Ehren gehalten. Dabei sind wir uns einig, dass die Qualität der Texte nebensächlich ist - dass sie geschrieben worden sind - aus Liebe -, beglückt uns. Sie ab und zu noch einmal zu lesen, erinnert uns an die Zeit der großen Liebe und hält die Liebe lebendig - trotz Rechtschreibfehler oder Schwächen im Ausdruck. Wer solche Briefe liest oder schreibt, darf kein Lehrer sein. Er sollte verliebt sein. (Oder zumindest ein verliebter Lehrer.)

Liebe Schwestern und Brüder, das Evangelium ist mehr als nur ein Bericht. Es geht - wie im Liebesbrief - nicht nur um das Verstehen des Textes, nicht nur um historische Informationen oder den Textinhalt. Der Gottesdienst ist ja nicht in erster Linie eine Lehrveranstaltung, so wie in der evangelischen Kirche. Dass der Pfarrer dort die Kleidung der Professoren trägt (schwarz mit weißen Kragenbändern), zeigt, dass er nicht Priester, sondern Lehrer ist.

Wir dagegen feiern das Wort Gottes, zelebrieren es wie einen Liebesbrief. Allein die Tatsache, dass Gott zu uns gesprochen hat, ist ein Glücksfall für die Menschheit. Mir ist es schon passiert, dass ich wenige Minuten nach dem Evangelium schon vergessen hatte, was der Inhalt gewesen ist. Vielleicht kennen Sie das auch (zu Probe: Was war das heutige Evangelium?). Das ist zwar peinlich, aber wenn das Gefühl bleibt: «Da hat Gott gesprochen, ist das nicht herrlich?» - dann soll das auch genügen.

Es kommt also nicht unbedingt auf die Botschaft Gottes an - von der ich in der letzten Woche gesprochen habe. Es kann sehr anstrengend sein, im Gottesdienst immer wieder von Gott angesprochen zu werden. Darüber sollten wir nicht vergessen, Gott und Sein Wort einfach zu feiern, darin zu schwelgen wie in einem Liebesbrief. Einfach nur beglückt zu sein, dass Gott uns so sehr geliebt hat, dass er uns seinen eigenen Sohn gesandt hat, der uns vom Vater erzählen konnte. Deshalb heißt es ja auch am Ende: «Evangelium unseres Herrn Jesus Christus - Lob sei Dir Christus!»

Ähnliches gilt übrigens für das Glaubensbekenntnis, dass wir im Anschluß an die Predigt sprechen. Es handelt sich dabei nicht um ein Parteiprogramm, nicht um eine Verfassung - sondern um ein Gebet. Im Credo komme ich allerdings persönlich nicht vor, dort sind keine Bitten formuliert, kein Dank, kein Lob. Manche meinen deshalb, dass das kein Gebet sein kann, sondern nur eine Aneinanderreihung von Sätzen und Dogmen. Eben ein Programm.

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt keine bessere Erholung, keinen besseren Urlaub, als einmal von sich selbst Abstand zu nehmen. Deswegen fahren wir ja auch weg, wenn wir Urlaub haben wollen. Nicht im eigenen Saft zu schwimmen, an seine eigenen Probleme und Sorgen zu denken, unserem eigenen Alltagstrott zu entfliehen: Dafür können Sie entweder in die Karibik fliegen - oder das Credo beten. Beim Gebet des Glaubensbekenntnis' sind sie auch weit weg: Bei Gott. Ich halte mich gedanklich schlicht bei Gott auf, bei dem, was er für uns getan hat. Und, das dürfen Sie mir glauben, da ist es schöner als in der Karibik.

Amen.

6. Predigt - Hinweis zum Auffinden von Urchristen

In Fürbitte, Gabenbereitung und Kollekte geben wir

Liebe Schwestern und Brüder, Wenn wir bitten, in unserem Alltag, zum Beispiel Behörden, Nachbarn oder Bekannte, dann haben unser Bitten fast immer etwas gemeinsam: Wir informieren darüber, dass wir etwas brauchen. Auch Kinder sagen ungern: «Kann ich etwas zu trinken haben?» Sondern eher: «Ich habe Durst.» Das Wort Bitte kommt uns zwar noch leicht über die Lippen (wenn wir gut erzogen sind); ein echte Bitte aber, in der ich jemandem eingestehe, dass ich auf ihn angewiesen bin, fällt uns äußerst schwer.

Es ist leichter, jemanden zu informieren, als ihn wirklich zu bitten. Wer bittet, der bekennt, dass er abhängig ist; der gibt ein Stück seiner Freiheit ab, weil er nun die Entscheidung über seine Not einem anderen überläßt.

Liebe Schwestern und Brüder, wir können Gott nicht bitten, indem wir ihn lediglich über unsere Bedürfnisse und Nöte informieren. Das ist so überflüssig wie sonst etwas. «Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles nötig habt», sagt Jesus selbst.

Wenn wir Gott bitten, dann bedeutet das, dass wir nun ihm die Entscheidung darüber überlassen, wie es weitergehen soll. Bitten heißt abgeben, sich frei machen; unsere Bitten nun in Gottes Hände zu wissen. «Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr das alles nötig habt. Euch aber soll es um das Reich Gottes gehen!» Wir sollen Gott um die Dinge bitten, die wir nicht selbst in den Händen halten, sie ihm abgeben, damit wir uns dann den Dingen zuwenden können, die Gott wiederum uns überläßt. Einen Wunschzettel zu schreiben macht nur einen Sinn, wenn ich ihn auch abgebe. Und dann habe ich meine Wünsche nicht mehr in der Hand.

Liebe Schwestern und Brüder, die Fürbitten zwischen dem Wortgottesdienst und dem Opfergottesdienst sind relativ neu. Sie wurden vom Konzil eingeführt als «Gebet des Volkes», als eine Gelegenheit, zwischen den beiden Blöcken der festgelegten, heiligen Liturgie, frei unseren eigenen Gebeten Ausdruck zu verleihen. Es muß nicht immer das Bittgebet sein. Wir könnten auch danken oder loben. Es ist der Teil des Gottesdienstes, der ausdrücklich der Gemeinde zur Verfügung steht. Gerade am Sonntag sind Lesungen und Eucharistie an die kirchliche Liturgie gebunden, da kann man nicht einfach alles Mögliche (oder Unmögliche) ändern. Das Gebet des Volkes aber steht zur freien Gestaltung.

Dennoch haben wir uns angewöhnt, dort unsere Bitten zu formulieren. Das liegt vermutlich daran, dass Fürbitten und Gabenbereitung ein und dieselbe Bewegung darstellen: Wir geben. Im Bitten verzichten wir auf die eigene Wunscherfüllung und legen unsere Nöte in Gottes Hände. Bei der Gabenbereitung geben wir neben Brot und Wein auch alles, was wir in der Woche getan haben. Wir geben unsere ganzen guten Werke und überlassen es Gott, daraus Ewiges zu wirken. Wir geben all unsere Schwächen ab, Stück für Stück, und überlassen es Gott, daraus doch noch Gutes entstehen zu lassen. Wir befreien uns vom eigenen Stolz über unsere Erfolge und von drückenden Selbstvorwürfen über unser Versagen - und befreien uns davon, indem wir geben. Alles soll Gott gehören. Alles legen wir zusammen mit den Gaben auf den Altar und vertrauen Gott, dass er es wandelt.

Auch die Kollekte gehört in diesen Zusammenhang. Scheinbar eine Nebensache, sammeln wir nicht nur aus praktischen Gründen. Es geht vor allem darum, mit Seele und Leib zu geben - nicht nur mit dem Gebet, sondern auch mit dem Portemonaie.

Vielleicht denken Sie bei der Kollekte an das, was Sie noch mit dem Geld machen könnten, wenn Sie es nicht abgeben würden. Nachdem Sie gegeben haben, brauchen Sie sich darüber keine Gedanken mehr zu machen. Wer gibt, befreit sich.

Die Kollekte, liebe Schwestern und Brüder, diente viele Jahrhunderte dazu, einen gerechten Ausgleich innerhalb der Gemeinde zu schaffen. Die, die etwas übrig hatten, gaben Geld - oder eigentlich Lebensmittel - bei der Gabenbereitung zum Altar, und die, die nicht genug hatten, haben sich dann davon genommen. Falls Sie also einmal jemanden entdecken, der sich Geld aus dem Kollektenkörbchen nimmt (anstatt etwas hineinzugeben), haben Sie vermutlich einen frühen Urchristen entdeckt.

So oder so - der Gottesdienst, in dem Gott uns beschenken möchte, gibt uns auch Gelegenheit, Ihm zu geben. Und wenn alles, was wir geben, bei Gott in guten Händen ist - dann geben wir am besten alles, was wir haben, alles was wir sind, - am besten uns selbst.

Amen.

7. Predigt - Von Orgelbühnen und Riesenrädern

Die Erhebung der Herzen: Auf zu Gott!

Liebe Schwestern und Brüder, meine Predigteihe zur Eucharistiefeiern habe ich immer «kleine Predigtreihe» genannt. Wenn ich jetzt aber alle Gesten, Worte und Riten, die von der Gabenbereitung bis zum Schluß der Messe den Reichtum der Liturgie ausmachen, einzelnd erklären möchte, wäre ich nächstes Jahr noch beschäftigt. Der Reichtum unserer Liturgie könnte ganze Bücher füllen (und tut es ja auch gelegentlich). Ich gestatte mir deshalb, Ihnen nur eine kleine Auswahl vorzustellen, um die großen Bögen herauszustellen.

Liebe Schwestern und Brüder, es kommt manchmal vor, dass sich unsere Sorgen und Beschäftigungen gegen uns verschwören. Plötzlich sind wir umzingelt von allen möglichen Fallen, Fettnäpfchen und Mißverständnissen. Die Dinge scheinen sich gegen uns verschworen zu haben und umringen uns wie ein Bienenschwarm. Die Ausgänge aus diesem Schlamassel sind verstellt, und die Umstände beginnen, den Strick langsam zuzuziehen. Weder nach links oder nach rechts sehen wir noch einen Ausweg. Egal, was wir tun, es macht alles nur noch schlimmer.
Vielleicht kennen Sie solche Situationen, vielleicht haben Sie gerade eine solche erlebt. Schlechte Voraussetzungen, so könnte man meinen, um ausgerechnet jetzt Gottesdienst zu feiern.

Und wären wir das Schuldbekenntnis sprechen, auf Gottes Wort hören und Ihm unsere Bitten anvertrauen, mögen uns diese Gedanken an das Erlebte noch weiter bedrängen. Aber dann heißt es, wie eine Erlösungsformel: «Der Herr sei mit Euch: Erhebet die Herzen!»

In London ist gerade das größte Riesenrad der Welt eröffnet worden. Der Reiz eines solchen Gerätes liegt in der «Erhebung der Herzen»: Alles, was vorher so groß und bedeutend aussah, wird durch diese geänderte Perspektive plötzlich wieder zurechtgerückt. Die Relationen stimmen wieder, wir gelangen wieder zu einen Überblick, den wir vielleicht vorher verloren haben.

Wer sich erhebt, der flieht nicht vor den Problemen, er nimmt sie immer noch wahr. Aber er kann sie besser einordnen und ihre wahre Bedeutung erkennen.

Die Gabenbereitung, das anschließende Gebet und das Heilig sind befreiende Gebete: Wer weder nach links oder nach rechts, weder nach vorne noch nach hinten einen Ausweg sieht, der kann sich nun erheben. Über die alltäglichen Sorgen, auf zu Gott! Heraus aus den immer wieder kreisenden Gedanken, den Strudel der Überlegungen: Auf zu Gott!

Die Gaben, die wir bringen, sind ein Symbol für unsere Sorgen und Anliegen, so habe ich letzten Sonntag gepredigt. Nun werden die Gaben erhoben, vom Priester erhoben und mit Gebeten für Gott bestimmt. Selbst wir erheben uns, und zu diesen äußeren Bewegungen kommt die innere Bewegung der erhobenen, vom Alltagsstreß befreiten Herzen. Und auch das Gebet erhebt sich: Während wir noch im Gabengebet unsere Bitten auf die Patene legen, wird in dem folgenden Gebet (der Präfation) nur noch Gott und sein Wirken im Sohn und Heiligen Geist gepriesen - bis im Heilig-Lied sogar die Worte selbst aus dem Mund der Engel stammen: «Hosanna in der Höhe!» Wie ein Auf-atmen beginnt nun der Teil der Messe, der uns befreit und erlöst - wenn wir uns erlösen lassen wollen. Wenn wir bereit sind, Abstand zu nehmen, von dem, was uns herabzieht, weil es zu schwer an uns haftet.

Liebe Schwestern und Brüder, unser Alltag unterscheidet sich vom Sonntag nicht durch die Nähe Gottes, sondern dadurch, wer sich wem nähert: Während durch die Woche Gott sich herabläßt, sich klein macht und uns auch im Alltag nahe ist, machen wir uns am Sonntag die Freude, uns zu Gott zu erheben. Beides führt zur gleichen Nähe Gottes; nur im Alltag übersehen wir den zarten Gott oft durch die vielen Kleinigkeiten; am Sonntag räumen wir den Blick frei für den herrlichen Gott, indem wir uns aus den Verstrickungen des Alltags erheben. Vielleicht ist deshalb auch der Platz auf der Orgelbühne so beliebt.

Hochamt, Hochgebet, ja, sogar das Wort Hochzeit zeigen, wohin es geht: Auf zu Gott.

Amen.

8. Predigt - Vom Mahlhalten, Sattwerden und der Gemütlichkeit

Die Eucharistie als «Wegzehrung»

Liebe Schwestern und Brüder, die Eucharistiefeier, das Zentrum unseres Glaubens, ist auch das Zentrum unserer Gemeinde. Hier treffen wir uns alle - ob jung oder alt, ob engagiert oder distanziert, ob modern oder eher altmodisch. Hier kommen wir zusammen, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern und Mahl zu halten. Wir sind geladen an den Tisch des Herrn.

Nun ist es aber kein Geheimnis, dass das gemeinsame Essen nur ein sehr dürftiges Zeichen ist: Allzuviel zu essen gibt es im Gottesdienst nicht, vom Trinken ganz zu schweigen. Und gemeinsam tun wir es auch nicht: Alles geht hier schön nach der Reihe. Wir stehen eher wie im Supermarkt Schlange.

Das stört vielleicht. Viele, die einen Gottesdienst vorbereiten, sind bemüht, den Gedanken des gemeinsamen Essens, des Mahl-haltens, deutlicher herauszuheben. Aber das stößt an seine Grenzen: Was wir hier im Gottesdienst feiern, kann nicht an ein wirklich gemütliches Essen (beispielsweise nebenan im Hotel Theissen) herankommen. Und ein Schnitzel mit Pommes macht allemal eher satt als ein kleines Stückchen Brot, dem sogar noch die Hefe fehlt.

Um dem abzuhelfen, werden hier und da Tischmessen angeboten; in kleineren Gruppen werden manchmal zur Eucharistiefeier richtige, selbstgebackene Brote genommen; der Tisch wird festlich gedeckt - man tut alles, um den Mahlcharakter in den Vordergrund zu stellen und ihm gerecht zu werden.

So gutgemeint, wie diese Versuche allerdings sind: Der Mahlcharakter steht absichtlich nicht im Vordergrund; ganz bewußt hat dieser Gottesdienst nur nebenbei Ähnlichkeit mit einem Mahl.

Der Ursprung unseres Gottesdienstes geht ja auf das Paschamahl zurück, kurz vor dem Auszug aus Ägypten. Da ist keine Rede von einem gemütlichem Beisammensein: Stehend soll gegessen werden, den Mantel und Gürtel bereits angelegt. Hastig soll gegessen werden, denn der Aufbruch ins gelobte Land steht kurz bevor. Man sitzt nicht im Kreis: Alle sollen zur Tür hin stehen, hintereinander, nebeneinander, denn es ist der Vorübergang des Herrn. Was verzehrt wird, ist ungesäuertes Brot; es war keine Zeit, die Hefe gehen zu lassen, man ist schon unterwegs.
All dieses zerstört zwar den Mahlcharakter, ist aber wesentliches Element unserer Eucharistiefeier: Wir sind unterwegs, unser Gottesdienst dient der Stärkung auf unserer Lebensreise. Das wirklich gemütliche Mahl mit reich gedecktem Tisch erwartet uns im Himmel - hier müssen wir uns mit dem dürftigen Brot zufrieden gegeben. Wir sind kein in sich abgeschlossener Kreis, der sich um den Tisch versammelt; wir sind ein Pilgerzug auf dem Weg ins gelobte Land - wie die Israeliten. Wir sind eben noch nicht angekommen.

Dass wir zu Kommunion gehen, einer nach dem anderen, dass das Essen selber nur einen kurzen Augenblick dauert; dass dabei von Gemütlichkeit gar nicht die Rede sein kann; dass das Brot, das uns gereicht wird, nur den Geist und die Seele stärkt, den Körper aber kaum satt macht - all das ist viel wichtiger und ursprünglicher als die Form des Festmahles mit reich gedecktem Tisch.

Und dass die Gemeinschaft, die wir erfahren, nicht in erster Linie in der Tischgemeinschaft, sondern in der Weggemeinschaft zum Ausdruck kommt, ist ebenso wichtig, für die heutige Zeit vielleicht sogar noch wichtiger: Denn noch sind wir nicht am Ziel unseres Lebens. Wir müssen uns immer wieder daran erinnern und auch erinnern lassen, dass wir uns hier nicht zu dauerhaft einrichten. Unsere Heimat ist im Himmel.

Deswegen hat Jesus nicht die Agapafeier, das gemütlich Ritual der Tischgemeinschaft (mit den Sündern und Zöllnern), sondern das hastige und ungemütliche Paschahmahl als Form für sein Andenken gewählt.

Amen.

9. Predigt: Von der Stille und davon, dass Gott kein Mikrofon braucht

Gottes Gegenwart geniessen

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt verschiedene Arten von Stille. Ein Fernseher, der seinen Geist aufgegeben hat (soweit vorhanden), ist einfach nur still und geistlos - manchmal genauso wie diejenigen, die noch immer davor sitzen und nicht merken, dass der Fernseher gar nicht mehr läuft. Aber der Fernseher, der nun schweigt, will uns damit nichts sagen.

Anders ist es zwischen zwei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben. Die beiden können eine sehr peinliche Stille verbreiten - weil das Gespräch, das beide führen möchten, fehlt. Eine solche Stille ist unangenehm, weil sie unerfüllt ist - es fehlt etwas. Beide sind zwar da, aber nicht mehr füreinander.

Wiederum anders ist die Stille zwischen zwei Menschen, die sich nichts mehr zu sagen brauchen, die ohne Worte auskommen. Zwei Verliebte beispielsweise, denen es genügt, einander in die Augen zu schauen. Jedes Wort wäre überflüssig und störend. Diese Stille ist zutiefst erfüllt, randvoll. Die beiden, die jeweils in den Augen des anderen lesen können, sind sich so gegenwärtig, dass sie keine Worte mehr machen brauchen. Sie genießen einfach nur die Nähe des Anderen.

Liebe Schwestern und Bürder, auf unserem Gang durch die Eucharistiefeier sind wir inzwischen beim Hochgebet angekommen. Wenn wir uns die ganze Messe bisher vor Augen halten, stellen wir fest, dass wir im Laufe des Gottesdienstes zunehmend stiller werden. Die anfängliche innere Aktivität beruhigt sich und wendet sich ganz Gott zu. Es werden immer weniger Worte gemacht, weil Gottes Gegenwart immer deutlicher wird.
Das Geschehen der Eucharistie beginnt, in Gottes Hände überzugehen. Nicht mehr wir danken; Jesus beginnt, dem Vater zu danken. Spätestens beim Hochgebet - auch Kanon genannt - gehen uns die Worte aus, es wird still in der Kirche, während Jesus für uns das Opfer seines Lebens vollzieht. Ein doppeltes Wunder kündet sich an: Brot und Wein verwandeln sich vollkommen und real in den Leib und das Blut Jesu und: Der Leib Christi sieht immer noch aus wie Brot, fühlt sich so an und schmeckt wie Brot (gleiches gilt für den Wein). Beide Wunder sind unfaßbar.

Das eigentliche Wunder kündigt Jesus im Johannesevangelium an: «Mein Leib ist wirklich eine Speise.» Seine Nähe, die ihren Ausdruck im Leib findet, teilt er uns mit, indem er seinen Leib in Brot verwandelt. Das andere Wunder, nämlich dass sich dieser in Brot verwandelte Leib in unserer kleinen Kirche in Halverde wiederfindet, ist dann nur noch nachgeordnet.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir das wirklich glauben, dann ist der Raum dieser Kirche ab diesem Augenblick randvoll mit Gottes Gegenwart. Dann kommen wir im Gottesdienst zu einer Stelle, die keine Worte mehr braucht, in der Gott uns so nah ist, seine Gegenwart so präsent, dass wir wie zwei Liebende nur noch die Gegenwart Gottes genießen - und das genügt.

Das Hochgebet ist schließlich nur noch eine Zwiesprache zwischen Jesus und dem Vater (im Heiligen Geist). Der, der redet, ist nur vordergründig der Priester; letztlich tut er es im Auftrag Jesu und mit den Worten Jesu. Und angesprochen wird im Hochgebet grundsätzlich immer der Vater. Diese Zwiesprache braucht kein Mikrofon (da können wir zwischendurch ruhig Strom sparen) und sie braucht keine Zuhörer. Es geht auch nicht darum, das Hochgebet kreativ zu gestalten und regelmäßig auszuwechseln. Es geht darum, diese Einmütigkeit zwischen Vater und Sohn und Geist zu genießen, sich an der Nähe zu erfreuen.

Und das beruht auch auf Gegenseitigkeit: Gott kommt nämlich auch, um ihre Gegenwart zu genießen. Deshalb ist er hier, deshalb geschieht dieses Wunder. Ihretwegen.

Amen.

10. Predigt: Gute Gründe, nicht zur Kommunion zu gehen

Die innere Bereitung, um Begegnung zu ermöglichen

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt gute Gründe, nicht zur Kommunion zu gehen.

«Vater unser»
Vielleicht meinen Sie: Das mit der Wandlung von Brot und Wein; das mit der Begegnung mit Jesus und so ist nichts mehr für einen erwachsenen Menschen. «Das kann man vielleicht noch Kindern erzählen, aber mir nicht mehr». Gut - kein Problem. Das geht mir auch manchmal so.
Bevor wir uns also mit Jesus vereinen, degradieren wir uns. Wir erklären uns zu Kindern - denn nur wer wie ein Kind ist, kann ins Himmelreich gelangen. Wir beten das Vaterunser, weil unser Christsein zuerst daraus besteht, unserm Vater im Himmel zu vertrauen und Ihm zu glauben.

«Lamm Gottes»
Oder vielleicht fragen Sie sich: «Wofür soll die Kommunion gut sein? Weil ich etwa ohne diese Hilfe nicht zurecht kommen würde? Weil ich es nötig habe? Weil ich allein mit meinen Fehlern nicht fertig werde? Weil ich tauschen möchte: Meine Sünden und Schwächen gegen die Vollkommenheit Gottes?»
Ja. Genau deshalb. Wenn das so ist, dann kommen Sie ruhig. Deshalb beten wir ja auch zuvor zum «Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden».

«Ich bin nicht würdig»
Im Gottesdienst bin ich ein Teil der Gemeinde. Mit der Gemeinde gehe ich auch zum Kommunionempfang nach vorne. - Aber im Augenblick der Kommunion stehe ich allein vor Gott. Ich bin jetzt gefragt, mein Leben und mein Glaube. Bin ich überhaupt würdig, Gott zu begegnen? Habe ich mich darauf vorbereitet? Nun, das können wir nachholen, indem wir beten: «Herr, sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.»

«Amen»
Und im Augenblick der Kommunion wird mir jetzt ganz persönlich das «Amen» abverlangt. Kann ich ja sagen, zu dem, was die Kirche glaubt? Sage ich Amen zu dem, was Gott mir geben will? Baue ich mein Leben auf die Gemeinschaft mit Jesus? Bin ich bereit, dieses Amen auch in meinem ganzen Leben zu sagen?

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt gute Gründe, nicht zur Kommunion zu gehen:
- Ich glaube nicht wirklich.
- Ich will es eigentlich nicht, ich tue es nur, weil es alle tun.
- Ich fühle mich nicht würdig.
- Oder ich will keine Konsequenzen ziehen und mein Leben nicht ändern.

Liebe Schwestern und Brüder, das Schlimme ist, dass diese Vorbehalte auch dann, wenn Sie zur Kommunion gehen, eine Begegnung mit Gott verhindern können.

Es gibt aber auch gute Gründe, daran etwas zu ändern, sich zu einer echten Kommunion, dh. Gemeinschaft mit Jesus durchzuringen, auch wenn das ein Leben lang dauern kann. Es gibt mindestens drei guten Gründen, damit heute noch zu beginnen:

1. Gott liebt Sie, trotz allem
2. Gott möchte bei Ihnen wohnen, und 
3. Gott wird Sie jeden Tag vermissen, den sie noch länger zögern.

Amen.

11. Predigt: Vom Kreuz in der Kiste und Gott in unseren Händen

Eucharistie ist das Sakrament der Erlösung und Begegnung mit Gott

Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte mit dieser Predigt zum Abschluß der Predigtreihe kommen: Die Feier der Eucharistie, mit der wir uns in den letzten Wochen beschäftigt haben, ist mehr als nur die Feier unseres Glaubens. Sie ist Begegnung mit Jesus Christus persönlich. Was wir feiern, ist ein Sakrament.

Wahrscheinlich haben Sie in der Schule gelernt, was ein Sakrament ist. Ich gehe aber mal davon aus, dass Sie nicht regelmäßig vor dem Schlafengehen in ihren alten Religionsheften lesen, und für den, der inzwischen vergessen hat, was das nochmal war (das Sakrament), hier ein kurzer Erklärungsversuch:

Anders als ein Sakrament ist ein religiöses Zeichen - zum Beispiel das Kreuz. Es erinnert uns an Gott, an Jesus Christus und an seinen Tod für uns. Wir können ein solches Kreuz in Ehren halten, in unseren Wohnungen aufhängen oder - wie zum Beispiel an Karfreitag - feierlich in der Kirche verehren. Wie wir mit dem Kreuz umgehen, ist Zeichen und Ausdruck unseres Glaubens.

Oder nehmen wir die Kerze. Indem sie brennt, ist sie ein Zeichen für Gottes Wärme und Nähe; während sie brennt, verzehrt sie sich und wird weniger: Somit kann sie ein Bild für Opferbereitschaft und Sühne sein.

Obwohl aber die Kerze ein Bild für Gott ist, verschwindet Gott dennoch nicht, wenn wir die Kerze auspusten. Und es hilft auch nichts, zuhause das Kreuz in eine schalldichte Kiste zu legen, wenn wir vorhaben, mal so richtig zu sündigen. Das liegt aber nicht an der Kiste, sondern daran, dass Kreuz und Kerze nur Zeichen sind, nicht aber Gott selbst.

Ganz anders ist es aber beim Sakrament: Ein Sakrament ist das, was es bezeichnet. Es macht einen Unterschied, ob ich es empfange oder nicht. Um die Kirche kann ich einen Bogen machen - und ich mache damit einen Bogen um Gottes Gnade. Der Gottesdienst ist ein Angebot Gottes - geknüpft an Zeit und Raum. Ich kann Gott verschlafen oder verpassen - ich kann ihm aber auch begegnen und ihn empfangen.

Gott ist vor Jahrhunderten einmal Mensch geworden und hat sich damit unserer Güte und Schlechtigkeit ausgeliefert. Die Menschen haben ihn ans Kreuz geschlagen - aber viele haben durch Ihn auch Heil und Leben empfangen. Gleichzeitig haben viele die Fülle der Zeiten, als Gott hier auf der Erde lebte, versäumt. Sie sind an Jesus achtlos vorbeigegangen, weil sie verlernt hatten, an mehr zu glauben als nur an das Sichtbare.

Jesus wird auch heute Tag für Tag gegenwärtig mit Leib und Blut - und liefert sich uns aus. Er gibt sich buchstäblich in unsere Hände - bei der Kommunion. Wir können ihn ans Kreuz schlagen oder durch die Begegnung mit Jesus Heil gewinnen. Oder wir können die Fülle der Zeit versäumen, weil wir gelangweilt in unseren Bänken sitzen und achtlos zur Kommunion gehen. Wenn wir dann wieder in der Bank sitzen, haben wir nichts empfangen und nichts gewonnen, weil wir verlernt haben, an mehr zu glauben als nur an das Sichtbare.

Liebe Schwestern und Brüder, Kommunion heißt Anbetung; Kommunion heißt mit Gott eins werden; Kommunion heißt empfangen können. Achten doch sie einmal auf ihre Handhaltung: Können Sie ihre Hände überhaupt noch öffnen? Können sie noch empfangen? 
Können wir auf die Hostie schauen, und (obwohl wir Brot sehen) Gott glauben?
Wer das glauben will und sich so beschenken läßt, der ist gesegnet. «Gottes Segen» heißt, dass er uns Gutes wünscht, nachdem er uns zuvor alles gegeben hat, was wir zum Glücklichsein brauchen: Sich selbst.

Und der Schlußruf: «Gehet hin in Frieden!» ist die Bitte Gottes an uns, davon weiterzugeben und weiterzuleben. Wir gehen verwandelt aus dem Gottesdienst - egal wohin wir gehen - und nehmen Gottes Segen mit.

Amen.

Die Predigten wurden von Januar bis März 2000 in St. Peter und Paul, Halverde, gehalten.

 

Quelle: http://www.karl-leisner-jugend.de/005_predigten_eucharistie.htm